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Warum Parks vom Ticket zum Erlebnis-Ökosystem wechseln

IAAPA-CEO Jakob Wahl im Interview: „Erlebnisse sind die neue Währung“

IAAPA-CEO Jakob Wahl über den neuen Einnahmemix, KI im Parkbetrieb und warum Storytelling die bessere Investition ist – auch mit Nischen- oder Regionalmarken.

Die Attraktionsbranche steht vor einem Paradigmenwechsel: weg vom reinen Eintritt, hin zu Erlebnis-Ökosystemen mit Einzelhandel (Merchandising & Shops), Gastronomie, die Integration von Marken und personalisierten Angeboten. KI greift tief in Betrieb, Gästeführung und Kommunikation ein – und Hybridparks, Events und Resorts konkurrieren um eine Ressource: unsere Erlebniszeit. Jakob Wahl, Präsident und CEO der IAAPA, ordnet internationale Trends ein, erklärt die künftige Wertschöpfung und zeigt, wie Parks mit Storytelling, Technologie und Mut zum Reiseziel werden. Bei der IAAPA (International Association of Amusement Parks and Attractions) handelt es sich um den Internationalen Verband der Freizeitparks und Attraktionen.

Herr Wahl, angenommen, KI und Automatisierung schaffen deutlich mehr freie Zeit: Welche völlig neuen Geschäftsmodelle sehen Sie, wenn die Nachfrage nach sinnvoller Freizeit explodiert?

Jakob Wahl: Wenn Freizeit zum neuen Wohlstand wird, dann sind Erlebnisse die neue Währung. Es könnten völlig neuartige Modelle entstehen: Mikroerlebnisse für ein urbanes Klientel, Park-Ökosysteme auf Abonnement-Basis oder sogar mobile, reisende Parks. In einer Welt mit mehr Zeit und einem höheren Wunsch nach Sinnhaftigkeit werden Parks nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern auch um emotionale Relevanz konkurrieren. Hier kann unsere Branche eine echte Vorreiterrolle einnehmen.

Einnahmen neu denken

Vom Ticket zum Mix: Was ist der wichtigste Wandel in der Wertschöpfung – und wohin muss sich der Einnahmenmix in den nächsten 5–10 Jahren verschieben?

Jakob Wahl: Wir beobachten weltweit einen Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben. Zwar sind die Einnahmen aus dem Ticketverkauf nach wie vor wichtig, doch die Zukunft liegt in zusätzlichen Angeboten, die eine intensivere Kundenbindung ermöglichen. Dazu zählen beispielsweise der Einzelhandel, die Gastronomie, VIP-Erlebnisse und markenorientierte Aktivitäten. Erlebnisse, die über die Kernattraktion hinausgehen, werden immer wichtiger. Die Gäste wollen mehr als nur eine Fahrt, sie wollen eine Geschichte hautnah erleben. Das wiederum eröffnet neue Möglichkeiten für einzigartige Erlebnisse. In den nächsten zehn Jahren wird Nachhaltigkeit durch personalisierte, unvergessliche und wiederholbare Erlebnisse erreicht, die sich über mehrere Touchpoints erstrecken.

„In den nächsten zehn Jahren wird Nachhaltigkeit durch personalisierte Erlebnisse erreicht.“

Jakob Wahl, CEO IAAPA

Europa steht für Qualität und Familienführung, USA/Asien für die Integration weltbekannter Marken und Mega-Resorts. Welche Lektionen sollten europäische Parks übernehmen – ohne ihre Identität zu verlieren?

Jakob Wahl: Europa hat eine lange Tradition familiengeführter und regional verwurzelter Freizeitparks, die sich auf Qualität, Themenorientierung und Eigentumsverhältnisse fokussieren.  Die USA und Asien zeigen uns jedoch die Vorteile mutiger Investitionen und Skalierbarkeit, sei es durch Intellectual Property (IP) [red. Anmerkung: meint geistiges Eigentum bzw. lizenzierte Marken] oder integrierte Resorts. Wir leben in einer globalisierten Welt und müssen daher weltweit konkurrenzfähig sein. Immerhin braucht es mittlerweile nicht mehr als einen Mausklick, um sich zu informieren oder auf die Schnelle einen Flug zu buchen. Das bedeutet nicht, „übergroß zu denken”. Vielmehr bedeutet es, strategisch über den Gästefluss, eine längere Verweildauer und ein erweitertes Angebot nachzudenken, beispielsweise in Form von Hotels vor Ort, Wasserparks oder saisonalen Festivals. Der Schlüssel zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit liegt darin, ein Reiseziel zu schaffen und nicht einfach nur einen Tagesausflug.

Technologie, die bleibt

Was gehört 2025/26 auf das Pflicht-Radar – und was wird vom „Nice-to-have“ zum Branchenstandard?

Jakob Wahl: KI und Datenanalyse entwickeln sich bereits von einem „Nice-to-have“ zu einem absoluten Muss. Sie werden die Art und Weise, wie wir den Betrieb, die Gästekommunikation und die Personalisierung verwalten, grundlegend verändern. KI-gesteuertes Crowd-Management oder personalisierte Reiserouten werden schon bald zum Standard gehören. Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) müssen hingegen ihren langfristigen Wert für das Gästeerlebnis noch unter Beweis stellen. Am besten funktionieren sie, wenn sie physische Attraktionen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Kurzfristig wird KI den Back-of-House-Bereich umgestalten, langfristig wird sie die Art und Weise verändern, wie wir die Zufriedenheit unserer Gäste sicherstellen und steigern.

„KI wird vom Nice-to-have zum Muss.“

Jakob Wahl, CEO IAAPA

Erlebnisse entstehen heute überall: Innenstädte, Escape Rooms, Kreuzfahrtschiffe. Ist der klassische Park noch zeitgemäß – und wie bleibt man relevant?

Jakob Wahl: Das klassische Parkmodell bleibt bestehen, entwickelt sich jedoch stetig weiter. Zugleich erweitert sich das Verständnis davon, was Freizeitvergnügen heute bedeutet. Menschen entscheiden sich heute nicht mehr nur in den Vergnügungspark, sondern möchten eine Vielfalt an Erlebnissen an einem Ort vereint genießen. Die Frage lautet also: Wie bleibt man in diesem breiteren Umfeld relevant? Die Antwort lautet: Diversifizierung. Ein Beispiel hierfür sind Hybridparks wie der belgische Zoo Pairi Daiza, der einen Wasserpark integriert hat, oder der AquaShow Park in Portugal, der eine Launched-Coaster-Anlage baut. Parks müssen über den Tellerrand hinausgedacht werden, beispielsweise durch Pop-ups, Markenartikel, mobile Gaming-Kooperationen und saisonale Veranstaltungen. Es geht darum, Wege zu finden, um im Leben der Menschen präsent zu sein – auch dann, wenn sie den Park gerade nicht besuchen.

Begrenztes Budget: eher in neue Technik investieren – oder in tiefes, immersives Theming bestehender Attraktionen? Welche Investition ist rentabler?

Jakob Wahl: Technologie allein schafft selten eine emotionale Bindung, Storytelling hingegen schon. Selbst die schnellste Achterbahn der Welt wird den Gästen nicht in Erinnerung bleiben, wenn sie ihnen keine emotionale Reise bietet. Dabei ist das Theming selbst nicht einmal ausschlaggebend. In jedem Fall muss sie jedoch einen unverwechselbaren Charakter haben.

VR-Achterbahn © IAAPA

Marken richtig integrieren

Gaming, Streaming, Sport: Starke Marken prägen Erwartungen. Wie verändert diese „IP-fizierung“ die Regeln – und welche Chancen haben kleinere Parks?

Jakob Wahl: Die Messlatte liegt jetzt höher. Die Besucher haben Erwartungen, die durch Hollywood, Streaming-Plattformen und immersive Spiele geprägt sind. Das Wirtschaftsmodell hat sich verändert: Bei IP geht es nicht mehr nur um Marketing, sondern darum, den Besuchern während ihres gesamten Erlebnisses einen Mehrwert zu bieten. Der Erfolg hängt jedoch nicht von der Größe der Marke, sondern von ihrer Integration ab. Parks, die IP authentisch in ihre Identität einflechten – nicht nur als Hülle, sondern als narrative Grundlage – werden als Sieger hervorgehen. Dadurch haben auch kleinere Parks die Möglichkeit, Lizenzen für Nischen- oder Regionalmarken mit starker emotionaler Wirkung zu erwerben.

Mitglieder sind Wettbewerber – und kooperieren zugleich. Welche Rolle spielt die IAAPA bei gemeinsamen Geschäftsmodellen/Standards? Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Jakob Wahl: Unsere Mission bei IAAPA ist es, die globale Attraktionsbranche zusammenzubringen – nicht nur, um Kontakte zu knüpfen, sondern auch, um zusammenzuarbeiten. Auch wenn unsere Mitglieder auf dem Markt miteinander konkurrieren, kommen sie über IAAPA zusammen. So bringen sie die gesamte Branche voran. Dies geschieht am wirkungsvollsten durch unsere Ausschüsse und Arbeitsgruppen, die sich aus engagierten Freiwilligen von Attraktionen auf der ganzen Welt zusammensetzen. Diese Fachleute tauschen bewährte Verfahren aus, entwickeln Arbeitspläne und bringen ihre Zeit und ihr Fachwissen in alle Bereiche ein – von Sicherheitsstandards über das Besuchererlebnis bis hin zu Innovationen –, ganz nach der Devise: „Wenn es der Wirtschaft gut geht, profitieren alle.“

Ein konkretes Beispiel ist unser Ausschuss für Sicherheit und Gefahrenabwehr. Er trägt zur Entwicklung und Förderung globaler Best Practices bei und spielt eine wichtige Rolle bei der Vertretung der IAAPA in internationalen Diskussionen über Sicherheitsstandards. Diese Art der Zusammenarbeit kommt allen zugute – Gästen, Betreibern und Herstellern –, da sie Vertrauen, Konsistenz und kontinuierliche Verbesserung fördert.

Jakob Wahl © IAAPA

Über Sicherheitsfragen hinaus dienen wir auch als neutrale Plattform, auf der unsere Mitglieder neue Geschäftsmodelle und Einnahmequellen ausloten können. Unsere Veranstaltungen, Bildungsprogramme und Partnerschaften helfen den Mitgliedern dabei, kreativ über die Zukunft nachzudenken. Ein Beispiel dafür ist unsere neue Zusammenarbeit mit Licensing International. Ob Markenpartnerschaften, immersive Erlebnisse oder Nachhaltigkeitsmodelle – die IAAPA hilft dabei, neue Möglichkeiten zu erschließen, indem sie die richtigen Leute in den richtigen Gesprächen zusammenbringt.

Ihre wichtigste unternehmerische Lehre: Wie gestaltet sich die Balance zwischen bewährtem Modell und mutigen Investitionen – und was heißt das operativ?

Jakob Wahl: Während meiner Zeit im Europa-Park habe ich gelernt, wie wichtig Beständigkeit in puncto Qualität und konzeptioneller Innovation ist. Die erfolgreichsten Entscheidungen waren diejenigen, die die Kernwerte des Parks respektierten und gleichzeitig Grenzen neu definierten. Beispiele hierfür sind die Einführung von Rulantica und die frühzeitige Investition in virtuelle Erlebnisse. Es geht nicht darum, ein Erfolgsrezept beiseitezulegen, sondern den Mut zu haben, es weiterzuentwickeln. Die wichtigste Lektion? Vertrauen Sie Ihren Gästen und hören Sie ihnen zu. Man kann immer etwas lernen. Jede Begegnung bietet die Chance, etwas mitzunehmen. Ich gebe mich niemals mit dem Erreichten zufrieden, sondern strebe stets danach, auch das kleinste Detail zu optimieren. Das zahlt sich vielleicht nicht direkt beim Return on Investment aus, aber die Besucher werden es garantiert bemerken und wiederkommen.

Herr Wahl, vielen Dank für Ihre Zeit und die wertvollen Einblicke.

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